Sinfonie 9/+Bonusdisc für 2 Klaviere
In der Reihe der Brucknertage im Stift St. Florian, Anton Bruckners Refugium, eigentlicher Heimat und letzter Ruhestätte, erklang im Sommer 2015 „das Schönste, was ich [Bruckner] je komponiert habe!“ Die Rede ist vom Adagio seiner Neunten, unvollendet gebliebenen Symphonie in d-Moll, die „dem lieben Gott“ (Zitat Anton v. Webern) gewidmet ist, und in der sich Bruckner bewusst mit dem Übergang ins Jenseits auseinandersetzt. Remy Ballot und dem Altomonte-Orchester gelingt es in „Liaison“ mit der einzigartigen Akustik der Basilika – gewissermaßen dem Heiligen Geist dieser musikalischen Trinität – wie kaum Anderen, die mit dem Abschied vom Irdischen verbundene Wehmut und Trauer der Hinterbliebenen, aber auch die Ungewissheit über das, was nach dem eigenen Tod bleibt, in himmlische Sphären zu überführen.
Lösung vom Erfolgsmodell seiner VIII. wagte Bruckner durch die radikal neue Kompositionstechnik der IX.
Lösung von allem Irdischen im Adagio -- »Es soll das Schönste werden, was ich je komponiert habe!«-- seinem »Abschied vom Leben«.
Lösung von sämtlichen Bruckner'schen Hörgewohnheiten und Erwartungshaltungen erlebt man, wenn die Bruckner-bewährte mehrfach preisgekrönte Zusammenarbeit zwischen dem Altomonte Orchester und Rémy Ballot einen neuen Höhepunkt findet. Wenn das Resultat, die IX., Bruckners »Eschatologie - die Lehre von den letzten Dingen« an Seiner Ruhestätte, der akustisch einzigartigen Stifts-Basilika bei den St. Florianer Brucknertagen 2015 erklingt. Die Noten völlig neu gelesen und artikuliert, ein nie zuvor erlebter interpretatorischer Ansatz, Bruckner in Klang, unverkennbarem Bruckner-Puls, in majestätischer Ausdehnung und Spirit von sämtlichen Traditionen zu lösen.
Prof. Dr. Klaus Laczika
Bonus-Disc: Die vorliegende Transkription der IX. Symphonie für zwei Klaviere wurde von Matthias Giesen und Klaus Laczika anhand der Transkription von Dr. Karl Grunsky (1911) – auf Basis der bekanntlich stark veränderten Orchesterfassung von Ferdinand Löwe – instrumentatorisch und dynamisch wieder an Bruckners Urtext angeglichen.
Remy Ballot
Remy Ballot wurde in Paris geboren. Er studierte Violine, Dirigieren, Musiktheorie und Musikpädagogik und schloss sein Studium mit dem Diplom des Conservatoire National Superieur de Musique de Paris ab. Bereits während seiner Studienzeit erhielt er Unterricht bei Maestro Sergiu Celibidache und gründete mit 18 Jahren sein eigenes Orchester, das Ensemble FAE, mit dem er in Paris debütierte.
2004 übersiedelte er aus künstlerischen Gründen nach Wien. Remy Ballot hat als Dirigent mit zahlreichen Orchestern zusammengearbeitet, u. a. mit dem Mozarteumorchester Salzburg, der Orchesterakademie Ossiach, dem Orchestre National des Pays de la Loire, dem Bühnenorchester der Wiener Staatsoper, dem Altomonte Orchester St. Florian, dem Akademischen Orchesterverein Wien und der Jungen Salzburger Philharmonie und jüngst in einer ausgedehnten Zusammenarbeit mit dem Oberösterreichischen Jugendsinfonieorchester (OÖJSO).
Sowohl die St. Florianer Einspielung der Erstfassung der III. Symphonie von Anton Bruckner mit dem Altomonte Orchester bei den Brucknertagen 2013 als auch der VIII. (OÖJSO, Bruckertage 2014, beides beim Label Gramola produziert) ernteten hymnische lokale und internationale Kritiken und wurden mit zahlreichen internationalen Plattenpreisen (Diapason dor, Supersonic Pizzicato, Stereophile) ausgezeichnet.
Altomonte-Orchester St. Florian
Das Altomonte-Orchester St. Florian wurde 1996 durch Augustinus Franz Kropfreiter (1936–2003) und Thomas Wall (Solocellist, Orchesterintendant) gegründet. Der Name des Orchesters bezieht sich auf die Barockmaler Martino und Bartholomeo Altomonte, die Schöpfer der Fresken der Prunkräume des Stiftes St. Florian. Musikalische Bandbreite von Barock bis zu zeitgenössischer Musik, Pflege der Musiktradition und der Kirchenmusik in St. Florian sowie im Besonderen Förderung des musikalischen Nachwuchses definieren die zentralen Aufgaben unter Chefdirigent Matthias Giesen.
Rezensionen
SUPERSONIC pizzicato
24/02/2016 Remy Franck
Rémy Ballot: spannungsvolle Neunte Bruckner
Seit Celibidache hat wohl kein Dirigent mehr den großen Bogen im ersten Satz der Neunten Bruckner-Symphonie so meisterhaft weit gespannt wie der Franzose Rémy Ballot, dessen Achte Symphonie uns bereits so sehr begeistert hatte.
Mit breitem Atem baut er den Satz genau so auf, wie es der Komponist vorgegeben hat, feierlich und misterioso, und der mächtige Klang des ‘Altomonte Orchesters St Florian’ entfaltet sich in der gewaltigen Stiftsbasilika ungemein spannungsvoll.
Hoch interessant ist das Scherzo: statt der finalen Heiterkeit, die Decsey hier ausgemacht hat, inszeniert Ballot genau die Schwere, von der viele in diesem Satz nichts wissen wollen. Bis in die Trauer hinein scheint sich die Musik regelrecht dämonisch auszubreiten. Entlastete Musik habe Bruckner mit diesem Satz geschrieben, behauptet Decsey. Ballot widerlegt das mehr als eindrucksvoll.
Und dann das Adagio: Die ‘Verklärungshöhen’ ersteigt Ballot über Brüche, so höchsten Schmerz und höchste Seligkeit sublimierend. Auch hier bleibt die Spannung eine halbe Stunde lang erhalten, um Bruckners Erinnerungen und Erlebnisse zusammenfließen zu lassen, um Enttäuschungen und Sehnsucht zu vereinen. Ballots Umsetzung dieses Satzes ist tief bewegend. Und das diese ganze Symphonie so gut gelungen ist, liegt auch an der herausragenden Qualität des ‘Altomonte Orchesters’, das sich aus den besten Musikern Österreichs zusammensetzt.
Die zweite CD enthält eine Bearbeitung der Symphonie für zwei Klaviere, hervorragend gespielt von Matthias Giesen und Klaus Laczika, aber was sollen zwei Klaviere gegen Ballots Orchester? Remy Franck
Bruckner-Ekstase
Platz schaffen im CD-Regal, wo man glaubte, alles dicht stellen zu können, weil ohnedies nichts Nennenswertes mehr hinzukommen würde - also bei Anton Bruckner. Doch weit gefehlt, denn dessen Neunte Sinfonie in der Interpretation von Rémy Ballot muss man eher haben als alle anderen seit anno Celibidache.
Die Ballot-Gleichung heißt Genauigkeit + Energie = Ekstase zum Quadrat. Wie der in Wien lebende Franzose den Anfangs-Bogen des ersten Satzes immer mehr spannt, ist unbeschreiblich. Das Stampfen des Scherzos entwickelt sich zur Dämonie - da reißen die Perchten den Höllenschlund auf. Und dann die Gegenwelt des Adagios - aber welche Brüche gehen durch diese Verklärung, höchster Schmerz und höchste Seligkeit in bestürzender Verbindung.
Das Altomonte Orchester St. Florian wächst, offenbar im Wissen, an etwas Außerordentlichem teilzuhaben, über sich hinaus. Eine maßstabsetzende Einspielung!
Die zweite CD enthält eine Bearbeitung der Sinfonie für zwei Klaviere, fabelhaft gespielt von Matthias Giesen und Klaus Laczika, aber von geringem Erkenntniswert. Edwin Baumgartner, Wiener Zeitung